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Man wendet gegen die Verwerfung des den Götterbildern geweihten Cultes ein, daß gewisse, von denselben ausgegangene geheimnißvolle Wirkungen nicht in Abrede zu stellen seien. Wir läugnen diese Wirkungen nicht, können sie aber nicht von Gott ableiten, weil von Gott nur Gutes fommt, während von den Götterbildern auch schlimme und verderbliche Einflüsse ausgehen. Woher nun jene geheimnißvollen Kräfte der Götterstatuen? Sie können nicht im Erze als solchem liegen, welchem man jede beliebige Form geben und daher machen kann, daß es wieder aufhört, diesen oder jenen Gott vorzustellen. Sie können auch nicht jenen Personen oder Wesen zugeschrieben werden, welche in den Statuen abgebildet sind; die Statue des Nerillynus in Troas war zu Lebzeiten desselben, der Sage nach, ebenso wunderthätig in Krankenheilungen, wie sie es jezt sein soll. Also müssen es verborgene Kräfte anderer Art sein, für deren Vorhandensein gewissermaaßen auch schon die heidnische Philosophie Zeugniß gibt. Thales unterschied der Erste Gott, Dämonen, Heroen; Plato gibt eine ähnliche Eintheilung, nur daß er den Dämonen, von welchen er nicht reden will, die Fixsterne und Planeten substituirt. Die Heroen sind abgeschiedene Menschenseelen; die Dämonen aber die gefallenen Geister, die, als Engel über die einzelnen irdischen Dinge gefeßt, von sinnlicher Lust zu den Töchtern der Menschen entbrannten, und Väter. der Giganten wurden. Dem Reiche der Dämonen steht der ursprünglich Oberste der Engel vor, der Fürst der Materie, der nicht aus Sinnlichkeit, sondern aus Bosheit fiel und sein Amt zu jenen befremdenden Störungen der Weltordnung mißbraucht, welche manchen Philosophen auf den Gedanken eines blinden Schicksals oder unerklärlichen Zufalles brachten (Aristoteles, Euripides). Von den Dämonen stammt der Gößendienst; sie machen sich an das Blut der Opferthiere und lecken es ab; sie legen sich die Namen derjenigen Heroen bei, deren Charaktere jedem aus ihnen am meisten zusagen, und treiben ihre Verehrer zu Thaten, welche diesen Charakteren entsprechen. Darum entmannen sich die Priester der Rhea, die Priester der Diana schlachten Opferthiere, jene der taurischen Artemis bringen Menschenopfer dar.

Schließlich werden noch die beiden anderen Beschuldigungen (Mord und Unzucht) berührt. Verläumdung der Unschuld ist eine alte Taktik des Lasters gemäß dem Sprichworte: Die Buhlerin schmäht über die Züchtige. Pythagoras mit dreihundert Genossen,

Heraklit, Demokrit, Sokrates sind Opfer dieser Taktik geworden. Die Tugend verliert nicht durch Verläumdung; wundern muß man sich nur, daß an den angeblichen Verbrechen der Christen Ärgerniß genommen wird, während man an dem noch Schlimmeren, was von den Göttern erzählt wird, sich nicht stößt. Die Christen ehren die Reinheit auf das höchste; sie halten jeden begehrlichen Blick und Gedanken für eine verantwortungsschwere Sünde, und leben unter einander wie Glieder einer Familie, wo die Älteren als Väter und Mütter, die Altersgenossen als Brüder und Schwestern, die Jüngeren als Söhne und Töchter geachtet und behandelt werden. Der Beischlaf in der Ehe wird abgebrochen, sobald eine Frucht erzeugt ist; viele Männer find in der Bewahrung des jungfräulichen Standes ergraut; die zweite Ehe gilt als ein verhüllter Ehebruch. Die Anklage wegen thyestëischer Mahle streitet gegen den gesunden Verstand. Kein heidnischer Ankläger hat je noch behauptet, er habe diese Gräuel selber gesehen; vor den vielen Sclaven, die in christlichen Häusern dienen, hätten sie nicht verborgen bleiben können. Die Christen halten nicht einmal für erlaubt, einer Mordscene zuzusehen, und besuchen darum keine Gladiatorenspiele; sie halten. die Abtreibung der Leibesfrucht für einen entseßlichen Mord, bei welchem der Mutterschooß zum Sarge und Grabe des Kindes ge= macht wird; auch die Ausseßung der Kinder stellen sie einem Morde gleich. Wie kann man also den Christen die Feier thyestëischer Mahle zumuthen!

§. 36.

Die an Marc Aurel gerichteten schriftlichen Intercessionen christlicher Apologeten erreichten ihren Zweck nicht. Er blieb bis zu seinem Ende den Christen abgeneigt, und glaubte die heidnische Staatsreligion grundsäglich aufrecht halten zu müssen. Unter der kurzen Regierung seines Nachfolgers Commodus genoßen die Christen des Friedens, welcher alsbald wieder durch die strengen Gefeße des Septimius Severus unterbrochen wurde. Unter Commodus waren viele angesehene römische Familien zum Christenthume übergetreten; Septimius verbot solche übertritte durch das ganze Reich unter strenger Strafe, und veranlaßte hiedurch eine schwere Christenverfolgung, von welcher namentlich die Provinzen Ägypten, Africa, Gallien, Italien hart getroffen wurden. Inmitten dieser Bedräng

nisse faßte der Punier Septimius Florens Tertullianus seinen Apologeticus ab, welcher eigentlich eine Umarbeitung seiner früheren Schrift ad Nationes ist, die übrigens gleichfalls, aber nicht ohne Lücken und Verstümmelungen, der Nachwelt überliefert worden ist. Die Umarbeitung derselben hat nach des Verfassers ausdrücklicher Bemerkung den Zweck, die höchsten Obrigkeiten des Reiches über die gegen die Christen verbreiteten Beschuldigungen und gehäßigen Vorurtheile aufzuklären. Es sei allerdings ganz begreiflich, daß das Christenthum Feinde habe, und die Christen wissen gar wol, daß sie Glück, Heil und Trost nicht in dieser Welt suchen dürfen, sie haben ihr Geschlecht, ihr Vaterland, ihre Hoffnung, ihre Seligkeit im Himmel; gleichwol sei es billig und erklärlich, wenn sie wünschen, daß man sie nicht schon um des bloßen Namens willen verurtheile. Würden die Gegner Dasjenige kennen, was sie hassen, sie stünden von ihrem Hasse ab, der übrigens sie selber verurtheilt; denn Alle, die das Christenthum näher kennen lernen, geben ihren Haß auf und werden Christen. Die Zahl derselben ist bereits so angewachsen, daß, wie die Heiden selber laut beklagen, Städte, Land und Inseln mit Christen aus allen Klassen der Alter und Stände angefüllt sind. Da sagen nun freilich wieder Viele, diese, Verbreitung sei eben nur ein Beleg für die ansteckende Kraft, die dem üblen innewohne. Aber das Schlechte wagen selbst Diejenigen, die es fortreißt, nicht als etwas Gutes zu loben; über das Schlechte hat die Natur Furcht und Scham ausgegossen. Der Christ hingegen rühmt sich, wenn er angeklagt wird, seines Christenthums; er widerspricht dem Ankläger nicht, er gesteht freiwillig, und dankt Gott, wenn er verurtheilt wird. Dieß ist bloße Schwärmerei, wenden die Heiden ein. Aber sollten die vielen Tausende jedes Ge= schlechtes, Alters, Standes gleichmäßig und constant von derselben Manie sich befallen zeigen? Man bedauert es, wenn ein geachteter Mann Christ ist oder zum Christenthume sich bekehrt; als ob nicht die achtungswürdigen Eigenschaften des Bedauerten eben aus seiner Christlichkeit flößen oder ihn für die Annahme des Christenthums empfänglich gemacht hätten. Man hebt im Tone des Vorwurfes hervor, daß ein Jüngling, welcher leichtsinnig gewesen, eine Frau, welche sich einen üblen Ruf zugezogen, nunmehr Christen geworden seien, als ob damit nicht eben die Ursache ihrer Besserung bezeichnet wäre. Ebenso schließen die gegen die Christen erlassenen kaiserlichen

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Geseße einen sonderbaren Widerspruch in sich. Trajan verbot, von Staats wegen nach Christen zu forschen; aber Diejenigen, welche als Christen angegeben würden, solle man strafen. Sind die Christen schuldig und gefährlich, warum sucht man sie nicht auf? Sucht man sie nicht auf, warum verurtheilt man sie als schuldig und gefährlich? Ebenso verkehrt ist das Verfahren bei Gericht. Einen Missethäter, der nicht gesteht, foltert man, daß er gestehe; den Christen foltert man, weil er gesteht, oder auf daß er nicht gestehe, und man würde ihm ohne Anwendung der Folter glauben, wenn er, dem Richter bewußt, lügen, d. h. aussagen würde, er sei kein Christ. Als Ursachen der Verpönung des christlichen Bes kenntnisses gibt man an: Mord, Incest, Sacrilegium u. s. w. Gut, warum forscht man nicht nach, ob der angeklagte Christ diese Verbrechen begangen habe oder nicht? Wenn also keine Schuld gestraft wird, so ist es bloß der Name Christ", um dessen willen das Gesez die Unschuldigen verfolgt. Die obersten Hüter der Reichsgeseze lieben zu sagen, daß man ererbte Geseze heilig halten müsse. Mit den Beschlüssen in der Christensache scheint man es anders nehmen zu wollen. Tiberius war geneigt, Christum ganz gnädig unter die Reichsgötter aufzunehmen. Der Weigerung des Senates antwortete er mit Drohungen gegen die Ankläger der Christen, und beharrte auf seinem Entschlusse. Die Verfolgungen begannen erst mit Nero, dessen Haß den Christen nur zur Ehre gereichen konnte. Der sonst grausame Domitian war gegen die Christen etwas milder, und rief einige, die er verbannt hatte, selbst wieder zurück. Marc Aurel gestand zu, daß er dem Gebete der legio fulminatrix die Erlösung seines Heeres vom Verdurstungstode verdanke. Die heutigen Geseze gegen die Christen stimmen mit jenen der früheren den Christen abgeneigten Kaiser nicht zusammen; sie sind viel grausamer, feindlicher, als jene. Diese Verschlechterung der Geseze hat indeß freilich nicht bloß in Hinsicht auf das Verhalten des Staates zu den Christen statt; sie ist vielmehr durchgreifend und allgemein, in den wichtigsten Dingen ist man von guten und löblichen Einrichtungen der Vorfahren abgekommen. Wo sind die alten, zur Beschränkung des Aufwandes und Luxus erlassenen Gefeße hingekommen? Wer weiß jezt mehr etwas von den Geseßen, durch welche unsere Vorväter Scham und Zucht im Hause und auf öffentlichen Plägen einer strengen Aufsicht unter

stellten? In den ersten sechs Jahrhunderten des römischen Staates ist kaum Eine Ehescheidung vorgekommen; wie steht es jezt? Einst wurde ein Patricier vom Senate ausgeschlossen, weil er Silbergeschirre im Werthe von zehn Pfunden besaß; was kostet heute nur ein einziges leckeres Mahl, welche kostbare Pracht wird dabei zur Schau gestellt! Die Consules Piso und Gabinius haben die ägyptischen Gottheiten Serapis, Isis und den hundsköpfigen Harpokrates vom Capitol verwiesen; gegenwärtig sind diese Gottheiten restituirt, und ihr Cult von pompösester Art. Man hat vom Alten nur das Schlechte beibehalten; und dieß ist auch in Beziehung auf die zur Verfolgung der Christen erlassenen Geseze der Fall. Man beschöniget dieses Verhalten durch Anklagen ungeheuerlichster Art. Gerüchtweise verlautet, die Christen seien Kinderfresser, und treiben in geheimen Zusammenkünften schändliche Unzucht. Ist die Wahrheit dieses Gerüchtes je bewiesen worden? Man weiß, was man von unerweislichen Gerüchten zu halten hat; fein Verständiger glaubt zuver sichtlich, was ihm nur gerüchtweise geboten wird, besonders wenn das Mitgetheilte aus inneren Gründen unwahrscheinlich ist. Sollten die Christen solche schändliche Dinge von sich ausgesagt haben? Die in die samothracischen und eleusinischen Mysterien Eingeweihten schweigen über Das, was bei der Feier der Mysterien vorgeht; hätten die Christen, wenn sie die ihnen angedichteten Frevel begiengen, nicht weit dringlichere Gründe, gleichfalls zu schweigen? Man entsegt sich über die blutschänderischen und mordsüchtigen Gräuel, die in den Gottesdiensten der Christen vorkommen sollen, das natürliche Gefühl empöre sich dagegen; sollten aber solche Gefühle den Christen, die doch auch Menschen sind, fremd sein? Warum entsezt man sich nicht über die Theaterscenen, welche die blutschänderische Schuld des Ödipus zum Gegenstande haben? Warum nicht über den Kinderfresser Saturnus u. s. w.? Die Christen haben Abscheu vor allem Blutvergießen; sie verwehren es sich, bei blutigen Schauspielen gegenwärtig zu sein. Die Heiden kennen diesen Abscheu, und die Gerichte pflegen deßhalb den zur Verantwortung gezogenen Christen Blutspeisen anzubieten, weil der Genuß derselben als Zeichen der Glaubensverläugnung genommen wird. Wenn die Christen Speisen aus Thierblut verschmähen, sollten sie an Kinderblut Wohlgefallen haben? Außer diesen geheimen Verbrechen sollen sich aber die Christen des offen daliegenden Ver

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