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Die Schrift des Athenagoras unterscheidet sich von den sonstigen Schriften ähnlicher Art durch eine große Ruhe und Mäßigung des Tones. Er spricht sein zuversichtliches Vertrauen auf die erhabene Gerechtigkeitsliebe des Kaisers aus, und zweifelt nicht, daß, wofern der Ungrund der wider die Christen erhobenen Beschuldigungen aufgedeckt worden, es den Christen ebenso, wie den Anhängern der übrigen, so mannigfaltigen und verschiedenen, oft augenscheinlich widersinnigen Arten von Gottesverehrung, gegönnt sein werde, ungekränkt und unbehindert ihre Religion zu bekennen und ́auszuüben.

Man dichtet den Christen drei Verbrechen an: Gottlosigkeit, ödipeische Unzucht und thyestëische Mahle. Vor beiden leßteren entsezt sich selbst die Natur, sie werden von vernunftlosen Thieren verabscheut. Eben deßhalb ist aber auch eine genaue Prüfung dieser Anschuldigungen dringlich angezeigt.

Die Christen sollen Atheisten sein. Mit Recht galt ein Diagoras als gottlos, welcher nicht nur die orphischen, eleusinischen und kabirischen Geheimnisse verrieth und eine Herkulesstatue zerhieb, um Holz zum Kochen seiner Rüben zu haben, sondern öffentlich Gottes Dasein läugnete. Die Christen hingegen läugnen Gott nicht, sondern erhöhen ihn, indem sie ihn von der Materie trennen und sagen, er könne nur geistig erkannt werden. Mit dem sinnlichen Polytheismus der heidnischen Volksreligion haben ja längst schon alle Einsichtigeren unter den Griechen selber gebrochen, wie aus vielen Äußerungen griechischer Dichter und Philosophen erhellt. Euripides sucht den Zeus hoch oben und glaubt, der hohe, gränzenlose Äther sei die Gottheit; Sophokles bekennt, es sei' in Wahrheit nur Ein Gott, und dieser habe Himmel und Erde erschaffen 1). Philolaus sagt, daß Gott immateriell sei und alle Dinge von ihm wie von einem Kerker umschlossen seien. Lysis nennt ihn die unaussprechliche Zahl, Opsinus das Unendliche oder Dasjenige, wodurch die höchste Zahl die ihr nächste Zahl übertrifft. Plato erkennt den höchsten, schwer aufzufindenden und der Menge nicht zu erklärenden Gott als ungeschaffenen Schöpfer des Universums, und wenn er sich aus Accomodation dazu versteht, auch Sonne, Mond und Sterne Götter zu nennen, so erkennt er sie doch als geschaffene

1) Diese Stelle eristirt nicht.

Potenzen, und lehnt jede weitere Untersuchung über den Götterglauben ab, um der Volksreligion nicht widersprechen zu müssen. Wenn er den höchsten unaussprechlichen Gott Zeus nennt, so meint er gewiß nicht den Sohn des Saturnus, sondern wählt diesen Namen nur der Gemeinverständlichkeit wegen, sezt aber das unterscheidende Beiwort „groß“ vor, um der Verwechslung vorzubeugen. Aristoteles unterscheidet in Gott Leib und Seele; den Äther, die Fix- und Frrsterne hält er für den Körper, welcher von der über alle Bewegung erhabenen göttlichen Vernunft wie von einer Seele bewegt werde. Die Stoiker erkennen nur dem Namen nach mehrere Götter, inwiefern dasselbe göttliche Feuer, der Eine Gott, in jedem Theile der Materie, den er durchdringt, einen anderen Namen hat. Freilich hatten die Philosophen keine klare und vollkommen übereinstimmende Erkenntniß dieses Gottes; denn eine solche kann nur von Gott selbst mitgetheilt werden. Wir Christen haben unsere Gotteserkenntniß aus den Offenbarungen des heiligen Geistes durch den Mund der Propheten 5 Mos. 32, 39; Jesai. 41, 4; 43, 10. 11; 44, 6; 46, 1; 48, 12. Vernunftbeweise können nur eine menschliche, nicht eine göttliche Gewißheit verschaffen. Indeß können wir unseren Glauben an den Einen Gott auch vernunftgemäß nachweisen. Wären zwei oder mehrere Götter vom Anfange her, so müßten sie an einem, oder an verschiedenen Orten existiren. Ersteres ist unmöglich, weil sie ungleich sind; sie müssen ungleich sein, weil jeder unter ihnen unentskanden, also nicht nach dem Bilde eines anderen, früher vorhandenen gestaltet ist. Also müßten sie verschiedene Orte einnehmen. Aber auch dieß ist unmöglich, weil neben Einem Gotte kein anderer Raum hat. Denn unter Gott versteht man, was über der Welt ist und die Welt umschließt. Sollte er wieder von einem anderen Wesen umschlossen sein, so ist er nicht mehr Gott; jener andere Gott müßte also eine andere Welt umschließen, ist aber dann nicht um uns, nicht Allregierer, überhaupt auf eine bestimmte Sphäre beschränkt, mithin eben nicht Gott. Kurz, mehrere Götter schließen sich wechselseitig aus. Man kann eine Mehrheit derselben auch nicht in dem Sinne zulassen, daß sie Theile eines einzigen Wesens wären; denn Gott ist als ewiges, unzerstörbares Wesen unauflösbar, mithin nicht aus Theilen zusammengeseßt. Daß die Christen nicht gottlos feien, geht aus ihrem sittlichen Verhalten hervor; sie leben nicht nach Art Jener, welche sagen: laffet uns

essen und trinken, morgen werden wir sterben; sie glauben an eine ewige Vergeltung und üben darum alle Tugenden der Mäßigkeit, Menschenfreundlichkeit und leidenden Geduld. Ungebildete und schlichte Menschen unter den Christen üben die schweren Tugenden, welche man vielleicht vergeblich bei Jenen sucht, die in Syllogismen und Erklärungen doppelsinniger Worte sehr gewandt sind, und zu sagen wissen, was homonym und synonym, Prädicament und Axiom, Subject und Prädicat sei.

Wir Christen glauben nicht nur an den Einen, ungezeugten ewigen Gott, sondern auch an den Sohn Gottes. Freilich sind hiebei die crassen mythologischen Vorstellungen von Vaterschaft und Sohnschaft auszuschließen. Wir denken uns den Sohn als die Intelligenz und das Wort des Vaters; er wird ein Gezeugter (Sohn) genannt, nicht als ob er geworden wäre, denn Gott hat als ewige Intelligenz auch ewig den Logos in sich sondern weil

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er aus Gott hervorgegangen ist, die Urbilder aller Dinge in sich tragend und der gestaltlosen Materie eindrückend; er ist die idea und évégyɛia des Vaters. Und ebenso glauben wir an den heiligen Geist und bekennen, daß der Geist, der in den Propheten wirksam war, ein Ausfluß Gottes sei, welcher ausströmt und wieder zurückkehrt, wie der Strahl von der Sonne wie das Licht vom Feuer. Damit aber ist unsere Glaubenslehre in Bezug auf die himmlischen Dinge noch nicht abgeschlossen; wir nehmen auch noch an, daß es eine Menge von Engeln und dienenden Geistern gebe, welche Gott, der Schöpfer und Bildner der Welt, durch sein Wort vertheilt und über die Elemente, die Himmel, die Welt und was in ihr ist, ge= seßt und mit der Leitung derselben betraut hat. Die Obsorge über das Einzelne hat er den Engeln zugewiesen, sich selbst die allgemeine Weltleitung vorbehalten.

Aus dem bisher Gesagten geht hervor, daß nicht Gottlosigkeit die Ursache ist, wenn die Christen am heidnischen Culte nicht theilnehmen. Sie können dieß nicht, weil nicht dem Werke, sondern einzig Gott die Ehre gebührt. Wie schön, groß und herrlich auch die Welt sei ein Kunstwerk Gottes nach Plato, so wissen wir doch, daß sie dem Geseze der Veränderung und Wandlung unterliegt, also nicht göttlich sei; um wie viel weniger kann man einem Menschenwerke, einem Götterbilde Anbetung zollen! Zudem ist die Verehrung von Idolen erst durch Erfindung gewisser Künste möglich

geworden; früher hatte man keine Götterbilder. Es gab aber keine Sciographie vor dem Samier Saurius, feine Malerei vor dem Sicyonier Kraton, keine Koroplastik vor der Korintherin Kore; und erst nach diesen kamen Dädalus und der Milesier Theodorus als Erfinder der Plastik und Bildhauerkunst. Die Zeit der Erfindung der Götterbilder ist so kurz, daß man die Verfertiger jedes Gottes nennen kann. Man sagt freilich, die Anbetung gelte nicht dem Bilde, sondern Jenem, den es vorstellt; aber die durch die Götterbilder Vorgestellten sind ja keine Götter, sondern sind gleich uns Wesen, die einst entstanden sind. Homer selber nennt den Oceanus den Ursprung der Götter, und Thetis deren Mutter. Orpheus läßt alle Dinge aus dem Ocean hervorgehen; zuerst stand im Wasser Lehm zusammen, aus diesem wand sich ein Drache, der neben dem Drachenkopfe noch ein Löwenhaupt und das Antlig eines Gottes hatte (Herkules und Chronos); Herkules zeugte ein ungeheures Ei, welches in zwei Hälften zersprang: Himmel und Erde; aus der Vermischung beider entstanden die drei Parzen, drei hundertarmige Männer und drei Cyklopen, die Uranus in den Tartarus stürzte, worüber ergrimmt die Erde die himmelstürmenden Giganten gebar. Dieß der Anfang und Ursprung der Götterwelt aus der Materie. Sezt die Bildung der Materie nicht einen Bildner voraus? Kann man also sagen, die Materie sei älter, als Gott? Und weiters, wie wunderlich, absonderlich und anstößig sind die von den Göttern erzählten Dinge! Jupiter vermischt sich als Drache mit seiner Mutter Rhea, die aus Scheu vor ihm in Drachengestalt sich verwandelt hatte; so ward Proserpina (ADŋka) erzeugt, mit vier Augen und mit Hörnern, mit der sich Jupiter abermals als Drache vermischte und den Bacchus zeugte. Die Iliade zeigt die Götter in ihren Schwächen und Leidenschaften; Zorn, Schmerz, wüthende Kampflust, Verwundbarkeit, sinnliche Leidenschaften sind ihnen eigen 1), sie verdingen sich an Menschen und irren in Voraussehung der Zukunft, wie Apollo. Einige versuchen mit Empedokles die Götterlehre umzudeuten, und ihren Gestalten einen physikalischen und philosophischen Sinn unterzulegen; aber dieß ist schon an sich nicht bei allen mythologischen Personen anwendbar (z. B. Europa und Leda,

1) Iliade IV, 24; V, 31. 376. 858; XVI, 434. 522. Odyss. VIII, 296 ff. 308 ff.

Jupiter als Stier und Schwan lassen sich nicht in allgemeine kosmologische Ideen umdeuten), und wo es sich thun läßt, bringt man eben nur vergängliche und veränderliche Geschöpfe heraus, oder Vorgänge im Leben der Natur, natürliche Verhältnisse und Triebe des Menschen u. s. w. Empedokles muß nach seinen eigenen Principien dieß zugestehen; denn nach ihm einiget die Freundschaft das Getrennte und das Verschiedene, d. i. die verschiedenen Götter; diese find also einer höheren einigenden Macht dienstbar. Nach den Stoikern mögen die verschiedenen Formen der Materie als verschiedene Körper Gottes gelten; aber wenn sie sich aufgelöst haben, bleibt der göttliche Geist für sich allein. Übrigens ist eine solche Umdeutung der Mythologie aus dem Grunde unzuläßig, weil die Götter zum großen Theile nachweislich historische Personen sind, die einst gelebt haben und später vergöttert worden sind. Herodot und Alexander erfuhren von ägyptischen Priestern, daß Osiris (Dionysus), Isis mit ihren Kindern Apollo und Diana, deren Amme Latona war, eine ägyptische Königsfamilie gewesen. Aus der ägyptischen Isis, die mit Kuhhörnern abgebildet wird, ist die griechische Jo entstanden. Auch das, was Herodot über die Feier der Leiden ägyptischer Götter erzählt, weist darauf hin, daß sie Menschen gewesen. Wie Herodot denken andere Gelehrte und Weise, Apollodor, Hermes Trismegistos u. s. w. Auch zeigt man die Gräber und hölzernen Bilder der Todten, welche göttliche Ehren genießen. Bekanntlich aber haben die Griechen ihre Gottheiten hauptsächlich von den Ägyptiern entlehnt. Ebenso berichten griechische Dichter und Geschichtschreiber, daß Herkules, Äskulap, Kastor, Pollux, Amphiaraus, Ino, Palämon historische Personen seien. Brachte es doch selbst die unzüchtige, blutbefleckte Semiramis zu den Ehren einer syrischen Göttin; Antinous erlangte erst kürzlich auf Betrieb des Kaisers Hadrian gleiche Ehren. Auch die Sibylle lehrt einen zeitlichen Ursprung der heidnischen Götter als entstandener Wesen; mithin waren sie vergänglich, also nicht göttlicher Natur. Gesezt aber, man wollte die heidnischen Götter ehren, so bliebe noch immer die Frage, welche? Jede Stadt und Landschaft hat ihre eigenen besonderen Gottheiten, und macht durch Vernachläßigung der übrigen, die dort nicht geehrt werden, sich der Gottlosigkeit schuldig. Warum macht man nicht ihnen, und nur den Christen daraus ein Verbrechen?

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