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manchen wesentlichen Punkten von denen der geschilderten Versuche ab.

Ungünstiger liegen dieselben insofern, als wir es oft mit tiefen, schwer zugänglichen, unregelmässig gestalteten, buchtigen Wundhöhlen zu thun haben, in denen leicht der eine oder andere Winkel der Desinfection entgeht. Da können die Bacterien bei Quetschungen tief in die Gewebe hineingepresst werden, welch letztere durch das Trauma gleichzeitig in ihrer Ernährung und Widerstandsfähigkeit hochgradig geschädigt, einen günstigen Nährboden und zugleich eine schützende Hülle für die Mikroorganismen abgeben, und was dergleichen Complicationen mehr sind.

Auf der anderen Seite gestalten sich bei Wunden in der Praxis die Verhältnisse in mancher Richtung ungleich günstiger. Vor allen Dingen erfolgt die Infection bei zufälligen Verwundungen kaum je mit so grossen Mengen und mit so hochgradig virulenten pathogenen Bacterien. Dazu kommt, dass wir die Wirkung des Antisepticums durch ein kräftiges Ausspülen oder Ausreiben der Wunde in mechanischer Weise erheblich steigern können. Ferner wird bei der schulgerechten Desinfection von verdächtigen oder inficirten Wunden Niemand versäumen, dieselben in voller Ausdehnung bloszulegen und wenn nöthig, werden zu diesem Zwecke auch Erweiterungsschnitte vorgenommen. Auch unterlässt es wohl kein Chirurg, die Gewebe, welche durch die Verwundung direct zermalmt oder in grober Weise verunreinigt sind, mit Messer und Scheere ganz zu entfernen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Behandlung von verunreinigten Wunden, wie sie bis zum heutigen Tage geübt worden ist, in dieser Richtung durchaus ihrem Zweck entspricht.

Dass über die Art und Weise der Anwendung antiseptischer Mittel zu dem genannten Zweck genauere und detaillirtere Untersuchungen nöthig sind, dass letztere insbesondere bezüglich der Art und Concentration der Desinfectionsmittel erweitert werden. müssen, ist mir klar. Es kam mir zunächst darauf an, im Princip klar zu stellen, dass eine erfolgreiche locale Desinfection möglich ist.

Als Resultat meiner Untersuchungen möchte ich demnach folgende Sätze aufstellen:

1. Die von Renault und Bouley, Colin, Niessen und Schimmelbusch gemachten Thierversuche in Bezug auf

Desinfection von Wunden gestatten keine Schlussfolgerungen in Bezug auf die Zweckmässigkeit der Desinfection von menschlichen Wunden.

2. Die Versuche von Messner und mir beweisen übereinstimmend, dass eine locale Desinfection von Wunden innerhalb der ersten Stunden durchaus erfolgreich ist.

3. Da es beim Menschen fast ausnahmslos auf die locale. Desinfection ankommt, müssen wir, so lange keine einwandsfreien Beweise für die Nutzlosigkeit derselben vorliegen, nach wie vor inficirte oder verdächtige frische Wunden in der bisher üblichen Weise desinficiren.

Erklärung der Abbildungen auf Taf. IX.

Fig. 1. Querschnitt durch eine Wunde (*) in einem Kaninchenohr, welche mit Milzbrand inficirt, 2 Minuten später mit Wasser ausgewaschen ist. Amputation des Ohres 10 Stunden nach der Infection. Milzbrandbacillen blau. (Der Deutlichkeit wegen sind dieselben etwas grösser und in geringerer Menge als in dem mit Picrocarmin und Anilinölwasser-Gentiana gefärbten Präparat gezeichnet.)

Fig. 2. Querschnitt durch eine Wunde (*) in einem Kaninchenohr, welche mit Milzbrand inficirt, 2 Minuten später mit Sublimat 1:1000 ausgewaschen ist. Amputation des Ohres 10 Stunden nach der Infection. Färbung wie 1.

Archiv für klin. Chirurgie. XLIX. 4.

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XXXVI.

(Aus der Königl. chirurgischen Klinik zu Breslau.) Ueber den Echinococcus der Schilddrüse.

Von

Dr. A. Henle,

Assistenzarzt der Königl. chirurgischen Klinik in Breslau.
(Hierzu Taf. IX, Fig. 3).

Wenn ich es in den folgenden Zeilen unternehme, der nicht ganz geringen Zahl von Veröffentlichungen über Echinococcus der Schilddrüse einen neuen, in der hiesigen Königl. chirurgischen Klinik beobachteten Fall hinzuzufügen, so geschieht es aus mehreren Gründen. Einmal giebt es in der deutschen Literatur bisher, soweit mir bekannt, keine Arbeit, welche die hierher gehörigen Beobachtungen einigermassen vollständig zusammenstellt und zu verwerthen sucht, und auch die einschlägigen ausländischen Arbeiten können auf Vollständigkeit Anspruch nicht mehr erheben, zweitens ist bisher die Diagnose auf Echinococcus nur in ganz extrem seltenen Fällen vor der Operation gestellt worden; bei gewissen malignen Eigenschaften dieser Art von Tumoren der Schilddrüse ist aber ein frühzeitiges Erkennen derselben von Wichtigkeit. Es hat daher die genaue Kenntniss dieser Krankheit auch eine hohe praktische Bedeutung.

Ich beginne mit dem von mir beobachteten Fall.

1. Bertha L., 18jähr. Dienstmädchen aus Rosenthal bei Breslau. Hereditär in keiner Weise belastet. Hunde sind im Hause der Eltern nicht gehalten und Pat. ist überhaupt nicht näher mit solchen in Berührung gekommen. Sie will schon seit ihrem 9. Lebensjahr eine Schwellung im unteren vorderen Gebiet des Halses bemerkt haben, die längere Zeit an Grösse gar nicht zunahm und keinerlei Beschwerden verursachte. Erst seit etwa 2 Monaten begann das Gebilde schnell zu wachsen und es wölbte sich jetzt ziemlich rasch an der

rechten Halsseite eine bald Hühnereigrösse annehmende Geschwulst hervor. Bald stellte sich auch bei Anstrengungen Athemnoth ein; an der Stimme will Pat. eine Aenderung nicht bemerkt haben. Im Uebrigen ist sie stets gesund gewesen.

Status praesens (siehe das Photogramm Taf. IX, Fig. 3): Mittelgrosses, relativ wenig entwickeltes, gracil gebautes, gesund aussehendes Mädchen in mittlerem Ernährungszustand.

Organe der Brust- und Bauchhöhle ohne nachweisbare Veränderungen. Puls und Temperatur normal.

An der Vorderseite des Halses findet sich rechts von der Mittellinie eine stark nach vorn vorspringende Geschwulst, deren ziemlich spitze Kuppe etwa in der Mitte zwischen Kinn und Jugulum liegt. Kehlkopf und Luftröhre sind links von dem Tumor gelegen, nicht überlagert, etwas nach links verdrängt. Hinter der Geschwulst sind die grossen Gefässe zu palpiren; der Sternocleidomastoideus lässt sich von dem Tumor nicht abgrenzen. Dieser letztere ist auf der Unterlage verschieblich und macht Bewegungen des Kehlkopfes vollkommen mit. Die Haut über der Geschwulst ist etwas geröthet, glänzend und nicht in Falten aufzuheben. Bei Betastung erscheint die am meisten vorragende Spitze der Geschwulst als ein taubeneigrosser kugeliger Körper von prall elastischer Consistenz, der einer grösseren, unter ihm gelegenen Geschwulstmasse aufsitzt und von dieser anscheinend vorgedrängt wird. Letztere fühlt sich ebenfalls derb an, lässt aber Fluctuation nicht mit Sicherheit erkennen. Linker Lappen der Schilddrüse etwas vergrössert. Laryngoscopische Untersuchung ergiebt deutliche Parese des rechten Stimmbandes; eine stenosirte Partie der Trachea war nicht zu sehen. Die Diagnose lautete Struma und zwar nahmen wir eine Struma cystica an, bestehend aus einer tiefer gelegenen grösseren und einer oberflächlichen kleineren Cyste. Auffallen musste die Betheiligung der Haut und anscheinend auch die des Sternocleidomastoideus, der von der Geschwulst nicht abzugrenzen, also wohl auch mit derselben verwachsen war; es liess sich das nur durch Annahme entzündlicher Vorgänge mit dem Bilde der gewöhnlichen Struma cystica vereinigen.

Am 27. 10. 94 wurde in Chloroformnarkose von Herrn Geheimrath

Mikulicz die Operation vorgenommen. Hautschnitt an Stelle des medialen Randes des Sternocleidomastoideus von der Höhe des Ringknorpels bis zum Sternum. Schon bei Durchtrennung des M. subcutaneus colli wird ein Hohlraum eröffnet, aus dem sich eiterähnliche Flüssigkeit ergiesst. Der oberflächliche Tumor fällt zusammen. Es gelingt nun nicht, die Cyste aus ihrer Umgebung auszuschälen, vielmehr ist dieselbe mit den anliegenden Muskeln, dem Sternohyoideus, Sternothyreoideus, Omohyoideus, dem Subcutaneus colli und Sternocleidomastoideus so fest verwachsen, dass Theile von diesen mit fortgenommen werden müssen. Hierbei platzt ein fast den ganzen übrigen Tumor bildender Sack, aus dem sich zunächst auch einige Tropfen eiterähnlicher Flüssigkeit, dann aber ein ganzes Conglomerat von blassen, grauweissen, durchscheinenden Membranen entleert. Die einzelnen Membranfetzen hängen nicht unter einander zusammen, bilden auch keine zusammenhängenden Blasen.

Mit diesen zusammen ergiessen sich noch an 70 Chem. Flüssigkeit von der Beschaffenheit der früher beschriebenen. Der Cystensack wird nun vollständig mit der Scheere exstirpirt. Nach Vollendung der Operation liegen Trachea, Oesophagus, Gefässbündel vollkommen frei da. Nach oben wird die A. thyreoidea superior als direct in den Cystensack übergehend ligirt und durchschnitten. Es findet sich keine Spur normalen Schilddrüsengewebes; auch der A. thyreoidea inferior ist nur ein Strang von der Grösse einer Haselnuss, anscheinend normalen Schilddrüsengewebes angelagert, welches mit der Arterie in Verbindung zurückgelassen wird. Blutung bei der ganzen Operation unbedeutend. Hautnaht mit Silberdraht nach Einlegen eines kleinfingerdicken Drains. Verband. Die Heilung ging durchaus glatt von Statten. Am 2. Tage Kürzung, am 4. Tage Entfernung des Drains; am 10. Tage Herausnahme der Nähte aus der durchaus geschlossenen Wunde. Es besteht jetzt vollkommene Paralyse des rechten Stimmbandes.

Die mikroskopische Untersuchung der Membranen ergiebt das typische Bild der Echinococcenmembran; in dem Inhalt beider Cysten sind, wenn auch sehr spärlich, Haken aufzufinden; im übrigen enthält es massenhafte Eiterkörperchen. Das ganze exstirpirte Präparat wird durch einen horizontalen Schnitt in eine obere und eine untere Hälfte zerlegt. Es zeigen sich jetzt die beiden Cysten als fast vollkommen kugelige, von einander gänzlich getrennte Hohlräume mit ca. 1/2 Cm. dicken Wandungen aus derbem fibrösen Bindegewebe, welches makroskopisch die Structur der Schilddrüse nirgends erkennen lässt. Es werden von verschiedenen Stellen der Wand kleine Stücke entnommen, eingebettet und geschnitten; dabei zeigt es sich, dass der grösste Theil der Wand aus derben, der Oberfläche der Cyste parallel geschichteten Bindegewebszügen besteht, in welche zerstreut einzelne, hie und da auch in kleinen Gruppen zusammenliegende Drüsenbläschen eingesprengt sind. Die Grösse der Bläschen ist der Mehrzahl nach etwa der der normalen entsprechend, doch ist ein Theil derselben ein wenig vergrössert, während andere verkleinert und von manchen nur noch wenige epitheliale Zellen vorhanden sind.

Bacteriologische Untersuchung des steril aufgefangenen Cysteninhalts ergiebt keine Anwesenheit von Mikroorganismen.

In der Literatur finden wir zwei Arbeiten, in denen eine grössere Zahl hierher gehöriger Fälle gesammelt ist, eine ältere von Gurlt1), die 7 Fälle bringt und eine neuere von Dardel2). Letzterer theilt die Fälle ein in solche, bei welchen die Diagnose auf Echinococcus der Schilddrüse mit vollkommener Sicherheit gestellt werden kann, und solche, bei denen über den Sitz oder über die Art des Tumors Zweifel bestehen können. Von der ersteren Categorie bringt Dardel 12, von der zweiten 5, in Summa 17 Fälle; die Gurlu'schen sind dabei im Verhältniss von 5 sicheren

1) Ueber die Cystengeschwülste des Halses. Berlin. Enslin. 1855. p. 273 ff. 2) Des kystes hydatiques du corps thyroide. Thèse. Paris 1888.

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