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durch Erregung kräftigen Hustens für die Herausbeförderung der Fremdkörper sorgt.

Eine ganz andere Richtung bekamen diese Untersuchungen durch die Betrachtungen V. v. Bruns. Dieser zeigte, dass an der gefrornen Leiche der Kehlkopf in der Mittellinie der hintern Pharynxwand fest anliegt, d. h. dass zwischen beiden nur ein lumenloser Spalt (Waldeyer) besteht. Wenn man nun bedenkt, dass Flüssigkeiten beim Schlucken von der Zunge direkt in den Oesophagus gespritzt werden (Kronecker), so ist nicht anzunehmen, dass diese gerade sich die engste Stelle des Halses zur Passage aufsuchen werden, wenn sie sonst eine freie Bahn finden können. Eine solche liegt aber zu beiden Seiten des Halses in den geräumigen Sinus pyrifomes oder den Schlundfurchen. So sehen wir also, dass ein Hauptschutz des Kehlkopfs und zwar ein anatomischer (im Gegensatz zu den vorher aufgezählten, von physiologischen Vorgängen abhängigen) darin zu suchen ist, dass der Weg der Speisen garnicht in der Mittellinie über den Kehlkopf führt, sondern zu beiden Seiten desselben durch die Schlundfurchen, dem Kehlkopfeingang gleichsam ausweichend (v. Bruns).

Eine wesentliche Unterstützung fand diese Annahme, durch die vergl.-anatomischen Untersuchung Waldeyer's. Derselbe zeigte, dass diese Spaltung des Schlingweges nach beiden Seiten hin beim Menschen und den anthropomorphen Thieren am wenigsten ausgebildet ist, während sie bei den übrigen Säugern viel deutlicher ist. Es hängt nämlich bei diesen das Velum, obwohl die Uvula meist fehlt, wie ein Abweisstein" tief zwischen Zunge und vorderer Epiglottisfläche herunter, so dass man es nur schwer hervorziehen kann, während andererseits die seitlichen Schlundfurchen sehr weit angelegt sind. Hierdurch giebt sich schon bei Thieren. durch den blossen Anblick die Bifurcation des Schlingweges deutlich zu erkennen. Gegen das seitliche Ueberfliessen von Speisen in den Kehlkopf ist derselbe durch sehr stark entwickelte Ligg. aryepiglottic. geschützt, welche z. Th. als dicke Wülste gegen die Sin. pyriformes vorspringen. Andererseits kann man aus der Form und Stellung der Epiglottis bei verschiedenen Thieren erkennen, wie wenig dieselbe befähigt ist, ihre vermeintliche Aufgabe als „Kehldeckel" zu erfüllen. So finden wir beim Ursus maritimus eine kleine, starre, hakenförmig gekrümmte Epiglottis, die beim Umlegen kaum

die Hälfte der Aditus laryngis decken würde; ebenso bleibt auch beim Urs. americ. der hintere Theil der Glottis zwischen den Aryknorpeln stets frei.

Im Gegensatz hierzu ragt beim Macropus melanops die sehr lange Epiglottis so hoch in den Nasenrachenraum hinauf, dass sie aus Mangel an Raum überhaupt nicht umgeklappt werden kann.

Wendet man diese Betrachtungen auf unsern Fall an, so kann es nicht Wunder nehmen, dass die Fortnahme der Epiglottis keine schädlichen Folgen für den Schlingakt gehabt hat, da er doch 3 Schutzmittel des Kehlkopfs unversehrt behalten hat: Die Lageveränderung des Kehlkopfs gegen die Zunge beim Schlingen; der Glottisschluss und dank der Schonung der Nn. laryngci. sup. auf das tadellose Functioniren des Reflexmechanismus. Vor allem aber sind die seitlichen Halstheile weder durch die Krankheit noch durch die Operation irgendwie beeinflusst worden, so dass die Bissen den ungehinderten Weg durch die Schlundfurchen finden. Das, wie aus dem Vergleich mit den Säugern hervorgeht, zum Theil ganz überflüssige Niederlegen der Epiglottis hat der Patient schnell entbehren gelernt.

Aus alledem geht hervor, dass die Epiglottis beim Menschen als ein für den Schlingakt zum wenigsten entbehrliches Organ zu betrachten ist.

Volle Bestätigung fand diese Ansicht durch die Beobachtung Andersen Stuart's (Sidney) und Alexander M'Cormack1). Dieselben hatten Gelegenheit, Untersuchungen über den Schlingakt an einem Manne anzustellen, bei welchem nach mehrfachen Exstirpationen carcinomatös entarteter Halsdrüsen eine fast 2-Markstückgrosse, bis zum Pharynx gehende Fistelöffnung an der Seite des Halses entstanden war. Wenn sie nun den Patienten, nach Verschluss der Oeffnung durch ein Glasfenster, Austern (dies hatten. sie als das zweckmässigste erprobt) schlucken liessen, so waren sie im Stande, die Stellung der integrirenden Theile bes. der Epiglottis während dieses Vorganges genau zu controlliren. Die hierauf bezüglichen Mittheilungen lauten:

During the entire act the visible part, at least, of the epiglottis remains more or less erect, firmly applied to the tongue. Never at any time was any folding backwards of it seen.

1) Journal of anatomie and physiologie. Vol. XXVI. 1893.

792 Dr. A. Rosenbaum, Die Totalexstirpation der Epiglottis.

When he performs the act of deglutition, without actually swallowing food, one sees the epiglottis remain vertical, and the walls of the pharynx come forwards so as to obliterate the pharyngeal cavity.

Als positive Erklärung der physiologischen Bedeutung der Epiglottis im Gegensatz zu dem obigen negativen Ergebniss soll noch erwähnt werden, dass die von Garrè wiedergegebene Ansicht eines englischen Forschers auch bei unserm Kranken ihre Bestätigung findet. Scanes Spicer1) stellte den Satz auf, dem übrigens auch Moritz Schmidt2) beistimmt, dass die Epiglottis nicht der Deglutition diene, sondern durch ihre verschiedene Stellung Timbre und Klangfarbe der Sprache beeinflusse und so ist auch bei unserm Patienten die Stimme tiefer und rauher geworden und hat, wie seine Angehörigen meinen, einen fremden Klang bekommen.

Es ist mir eine angenehme Pflicht, zum Schlusse meinem hochverehrten Chef Herrn Prof. J. Israel für die Ueberlassung des Materials und seine liebenswürdige Unterstützung meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.

1) Brit. Med. Journ. 1888. 17/III.

2) Krankheiten der ob. Luftwege. 1894.

XXXIII.

Pharyngotomia suprahyoïdea
(proprie sic dicta).

Von

Dr. Theodor Jeremitsch,

in Moskau 1).

M. H. Folgender exquisit seltener und glücklich verlaufener Fall eines Selbstmordversuches veranlasst mich ein neues, meines Wissens noch nicht abgehandeltes Operationsverfahren zu besprechen und vorzuschlagen: ich meine die Pharyngotomia suprahyoïdea proprie sic dicta.

Sergei Ivanow, 34 Jahre alt, Reservesoldat und Fabrikarbeiter, hatte sich den 18./30. 11. 94., in der Absicht eines Selbstmordes, den Hals vorn quer bis in den Schlund durchschnitten, worauf er sofort spät Abends in das I. Moskauer Stadthospital aufgenommen wurde. Vom dejourirenden Arzte wurde ihm ein Verband angelegt, wonach Patient in dem mir anvertrauten Krankensaal No. 11 untergebracht wurde.

Die Nacht verbrachte der Kranke schlecht: hustete stark und war sehr unruhig.

Status. 19. 11. 94. Patient mittleren Baues, abgemagert; antwortet auf Fragen ungern, mit dumpfer Stimme. An der Vorderfläche des Halses circa 2 Mm. über dem Zungenbein und letzterem entlang verläuft eine 12 Ctm. lange Schnittwunde mit glatten Rändern; selbige reicht bis an die hintere Wand des Pharynx, quer von einem Kopfnicker zum anderen, klafft stark, besonders beim Zurückwerfen des Kopfes und beim Hustenacte, zugleich tritt beim Husten die unversehrte Epiglottis von unten hervor. Im linken Wundwinkel hängt an dünnem Stiel ein Stück von der Submaxillarspeicheldrüse;

1) Vorgetragen am 17./29. Januar 1895 in der 314. Sitzung der Chirurgischen Gesellschaft zu Moskau nebst Demonstration des Kranken.

in den beiden seitlichen Winkeln der Wunde sind die inneren Jugularvenen zu erblicken. Keine Hämorrhagie.

Eine Masse dickflüssigen, zähen und schaumigen Schleimes überfluthet die Schlundhöhle beim Husten und wird, Dank seiner Zähigkeit, mit Mühe durch die Wunde herausbefördert.

Hals mittellang mit winzigem Fettpolster. Die Zunge liegt unversehrt in dem Cavum oris, kein Zurücksinken vorhanden. Von Seiten der Brust- und Bauchorgane ist nichts hervorzuheben.

Nach Besichtigung der Wunde und Toilette der Rachenhöhle wurde, ohne Tracheotomie als Voract, das Anlegen von Suturen unternommen (Operateur Dr. Jonas Saritschew) und zwar wurde der obere Abschnitt des Schlundes sammt Muskeln (Mm. mylohyoïdeus, geniohyoïdeus, hyoglossi et constrictores pharyngis) hermetisch an den unteren genäht: eine seidene Knopfnaht verlief längs dem oberen Rande der Hörner und des Zungenbeinkörpers, wobei das Durchstechen und Mitfassen der Rachenmucosa vermieden wurde. Eine aparte Kopfsutur versorgte den Verschluss der Haut- und Platysmawunde; durch deren beide Enden wurden nach oben und aussen, an den äusseren Seitenflächen des abgeschlossenen Pharynx je einer 8 Ctm. langen Drainröhre eingeführt; die äusseren Drainöffnungen mündeten auf der Höhe der Cornua minora. Aseptischer Verband. Kopf in leicht nach vorne gebeugter Stellung fixirt; Körper in seitlicher Lagerung. Fragen werden vom Kranken mit wenig gedämpfter Stimme beantwortet. Um dem ligirten Schlund Ruhe zu gönnen und Husten vorzubeugen, wird dem Kranken das Sprechen untersagt und sofort nach der Operation / Gr. Morphium mur. subcutan eingeführt; dieselbe Einspritzung zur Nacht verordnet. Nihil per os.

Abends ein hohes Klysma aus Milch, Bouillon, Eiern und Wein. Pat. schläft die Nacht ruhig. Husten äusserst gering. 3. Tag. Verbandwechsel. Auf dem Verbande seröse Absonderung. Die genähte Gegend hat ein prachtvolles Aussehen. Kein Husten (Morphium weggelassen); Patient schläft gut; klagt nicht über Hunger. Nahrungszufuhr per rectum. 6. Tag. Ein Theil der Nähte entfernt. Beim Husten und Sprechen tritt aus dem Cavum pharyngis durch die linke Drainröhre Luft hervor. Klagt über Durst und bittet zu essen. Das Schlucken von Milch und Wasser wird dem Kranken erlaubt. 8. Tag. Uebrige Nähte entfernt. Heilung per priman, absolut keine Reaction; Luft und Flüssigkeit (Milch) finden allemal durch die Drainröhren einen Ausweg. Klysmen ausgesetzt; Nahrungsaufnahme (Milch, Bouillon, Eier und Wein) per OS. 11. Tag. Rechtseitige Drainage entfernt; aus der linken Oeffnung aber wird Flüssigkeit noch bis zum 15. 12. secernirt. Am 11. 12. (23. Tag) wird das linke Drainrohr entfernt. 15. 12. (27. Tag). Vollkommene Heilung: Kein Durchtritt weder von Luft noch Fluidum. Der Kranke nimmt Suppe mit Fleisch, Brod etc. zu sich. Keine Klagen über Schmerz beim Schlucken; Pat. will nur ein leichtes Hinderniss in der Epiglottisgegend spüren. Völlig klare und laute Stimme. Die Temperatur war nur in den ersten zwei Tagen Abends über 37,5 erhöht. (19. 11. Tag der Operation 37,9; den 20. 11. -38,0). Der Kranke hat sich erholt, fühlt sich prachtvoll und am 22. 12. verliess er unser Hospital völlig gesund.

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