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wenn die Nephrectomie (wie gar nicht selten) in Folge falscher Diagnose unternommen wurde, was natürlich nicht ohne Einfluss auf den Ausgang der Operation bleiben konnte, zweitens aber wird in den schwierigsten Fällen, bei colossalen Nierentumoren (besonders Hydronephrose) diese Methode als die einzig mögliche angewandt. Der grösste Vorzug der transperitonealen Methode besteht unseres Erachtens darin, dass bei dieser Schnittführung nicht nur der Harnleiter der kranken, sondern auch derjenige der gesunden Niere sich leicht verfolgen lässt, und zwar in seinem ganzen Verlaufe, dann kann gleichzeitig die andere Niere leicht untersucht werden, und zwar mittelst genauester Abtastung. Beim lumbaren Probeeinschnitt hingegen muss man die Niere völlig bloslegen und Einstiche oder gar Einschnitte machen, und das an einer Niere, welche demnächst die einzige bleiben soll. Dabei ist aber die Kenntniss des Zustandes der anderen Niere sehr wichtig, zumal bei Hydronephrose, wo nach Newman in 67 von 100 Fällen doppelseitige Erkrankung angetroffen wird. Newman hat im Ganzen 665 Fälle von Hydronephrose gesammelt, davon waren in 68 Fällen Steine die Ursache, wobei 17 mal beide Nieren afficirt waren. Nach Morris ist die beiderseitige Affection noch häufiger, nämlich in 75 von 100 Fällen. Unter 142 Hydronephrosen findet er 106 mal beide Nieren erkrankt. Die Unkenntniss vom Zustande der anderen Niere führt zu traurigen Folgen: W. Bobrow hat in seiner 1892 erschienenen Dissertation 74 Fälle gesammelt, wo der letale Ausgang von Nierenoperationen direct dieser Unkenntniss zuzuschreiben war. Selbst der blosse Verdacht, dass die andere Niere angegriffen sein könnte, muss als Contraindication gegen die Nephrectomie betrachtet werden. Ich erinnere mich hier eines Falles, wo wir uns nur aus diesem Grunde der Nephrectomie enthielten. An der Patientin hatte der verstorbene Dr. A. Knie am 7. März 1889 wegen rechtsseitiger Pyonephrose die Nephrectomie ausgeführt, wonach eine Harnfistel zurückblieb. Am 4. August 1891 entdeckten wir in der Fistel in einer Tiefe von 5-6 Ctm. einen Stein. Die Patientin willigte gern in die Nephrectomie, doch wir entschlossen uns nicht zu derselben, weil seit der ersten Operation die Kranke von Zeit zu Zeit über Schmerzen in der linken Nierengegend klagte und beschränkten uns auf die Nephrolithotomie.

Dieser Fall ist ausführlich von meinem Collegen Sumarokow1) beschrieben worden; ich füge nur hinzu, dass die Kranke im März 1893 wohlbehalten geboren hat und jetzt gesund und zufrieden mit ihrem Zustande ist, obwohl sie eine schleimabsondernde Fistel nachbehalten hat und zeitweise noch über ihre linke Nierengegend klagt. Der gleiche Verdacht einer Affection der anderen Niere hielt auch Barker von einer Nephrotomie zurück. Der Fall wurde am 22. November 1887 in der Königl. Med.-Chirurg. Gesellschaft zu London mitgetheilt. Bei einem Kranken mit rechtsseitiger Hydronephrose machte Barker die lumbare Nephrotomie. Es blieb eine Urinfistel zurück. Der Kranke bat dringend um Entfernung der Niere, klagte aber gleichzeitig über unbedeutende Schmerzen im Gebiet der linken Niere: das genügte, um Barker von der Nierenexstirpation abstehen zu lassen. Anderthalb Jahre später starb der Kranke, und die Section erwies, dass die rechte Niere, an der die Operation gemacht worden war, weit gesunder war, als die linke. Das gesammte secernirende Parenchym, über welches der Kranke noch verfügte, gehörte ausschliesslich der rechten Niere an, während die linke buchstäblich einen membranösen Sack mit Eiter darstellte2). Hätte Barker den Bitten des Kranken nachgegeben, so hätte er damit dessen Leben um 11/2 Jahre verkürzt.

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Unsere Operirte anlangend, so musste eine Zeitlang nach der Operation die künstliche Athmung ausgeführt werden und wurden 2 Pravaz'sche Spritzen Tinet. Moschi injicirt. Darauf kam sie bald zu sich. Nach 5 Stunden wurde wegen starker Leibschmerzen, über welche die Kranke klagte, ein Eisbeutel auf den Leib gelegt und 5 Tropfen Tinct. opii gegeben. Da aber Erbrechen auftrat, wobei die Leibschmerzen stärker wurden und das eingegebene Opium sofort wieder zurückkam, so applicirten wir es subcutan.' Extr. opii aquos. 0,6, Aq. destillat. 20,0; ausserdem schluckte sie Eisstückchen. Abends Temp. 37,3o, Puls 108. 19. 2. Das Erbrechen dauert an, die Leibschmerzen gleichfalls. Temp. 37,8-37,9°, Puls 108. 20. 2. Erbrechen sowie Leibschmerzen nehmen ab. Temp. 37,8-37,0, Puls 104-100. 21. 2. Erbricht wieder den ganzen Tag; da Opium nicht hilft, so wird innerlich Cocain. hydrochlor. 0,015 gegeben; das Erbrechen dauert trotzdem fort; der Leib ist weder aufgetrieben noch schmerzhaft auf Druck. Temp. 37,2-36,9o. Puls 108-120. Seit 9 Uhr Abends begann unter beständigem Erbrechen der Puls zu sinken. Zunächst entfernte ich die Jodoformgaze aus der Wunde und legte ein Drainrohr an ihre Stelle. Von 12 Uhr Nachts wird das Erbrechen immer häufiger, und der Puls ganz elend über 140 Schläge in der Minute. Die Extremitäten sind kühl, die

1) Medizinskoïe Obosrenie. 1893. No. 3.
2) Brit. Medic. Journal. Nov. 26. 1887.

Kranke wird mit heissen Flaschen umlegt, das Bett an den Ofen gerüekt. Von 12 Uhr an alle 4 Stunden Injection von 0,24 Coffein, dazwischen Moschus und Campher. Die ganze Nacht hindurch führen unsere Bemühungen zu gar keinem Resultat: gegen Morgen ist der Puls kaum zu fühlen - garnicht zählbar, unaufhörliches Erbrechen mit Fäcalgeruch. Um 10 Uhr Morgens zwei reichliche Clystiere nacheinander, die nur schwach gefärbt doch übelriechend wieder herauskamen. Um 11 Uhr Morgens hört das Erbrechen auf; der Puls fängt an besser zu werden; dennoch wurde an diesem Tage dreimal Coffeïn injicirt. Tags wurde im Clystier 80,0 Ol. ricini eingeführt: die Wirkung erfolgte Abends nach dem zweiten Clysma. Seit diesem Tage ging Alles ganz glatt. Temperatur war die ganze Zeil hindurch normal, nur am 28. 2. 37,3-38,2 und am 1. 3. 38,1-38,0, was vielleicht mit dem Auftreten einer Urticaria zusammenhing. Am 6. Tage wurde das Drain entfernt. Am 14. Tage verliess unsere Kranke das Bett und begann schnell Kräfte zu gewinnen. Die Harnmenge ging folgendermassen:

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Später schwankte das Harnquantum zwischen 1000 und 1200 Cbctm. Im Urin keinmal Eiweiss.

Bis jetzt sind zwei Monate seit der Operation verflossen. Die Kranke ist vollkommen gesund und glücklich, von ihrer Krankheit befreit zu sein.

Die Exstirpation des Ureters in seiner ganzen Ausdehnung Ureterectomia ist eine durchaus zulässige Operation; indicirt wird sie durch einige Affectionen des Ureters, welcher gleichzeitig mit der betreffenden Niere derart erkrankt, dass eine Nephrectomie erforderlich erscheint. Die Indicationen zu der letzteren Operation müssen durch die Fortschritte der Chirurgie noch mehr eingeschränkt werden. Nach Laparotomie muss für rechtzeitige Entleerung des Darmcanals Sorge getragen werden.

XXVI.

Beitrag zur Kenntniss der Geschwülste der Scheidenhaut des Hodens und des Samen

strangs.

Von

Dr. F. Karewski,

in Berlin 1).

(Hierzu Tafel VII).

Unsere Kenntniss von den Geschwülsten der Scheidenhaut des Hodens und des Samenstrangs basiren auf einem verhältnissmässig kleinen Material von klinischen Beobachtungen, und die geringe Casuistik, die wir besitzen, betrifft in ihrer Eigenart sehr differente Tumoren. Man hat nach Kocher's Einleitung 3 Kategorien von praktischer Bedeutung auseinander zu halten: funiculäre, extravaginale und vaginale Tumoren; aber innerhalb dieser Kategorien giebt es so verschiedenartige Erscheinungsformen, dass der Ausgangspunkt der Geschwulst nicht immer mit Bestimmtheit festgestellt werden kann.

Monod et Terrillon sowie Jacobson unterscheiden überhaupt nur Tumoren der Tunica vaginalis und solche des Samenstranges. Als sicher kann indessen angenommen werden, dass sowohl die Tunica vaginalis communis, wie die propria, als auch endlich das zwischen den Scheidehäuten gelegene Bindegewebe, namentlich aber dasjenige des Samenstrangs den Boden für die Geschwulstentwickelung abgeben kann, und dass an Zahl die von dem Funiculus spermaticus ausgehenden überwiegen (Monod et

1) Nach einer Demonstration in der Berliner medicinischen Gesellschaft, am 13. Juni 1894.

Terrillon). Was die histologische Beschaffenheit anbetrifft, so hat man Lipome, Fibrome, Sarcome und Myxome beobachtet, ohne dass jedoch eine dieser Geschwulstarten immer ausschliesslich den. Bau des Aftergebildes ausgemacht hätte; oft genug fanden sich, wie ja auch am Hoden überhaupt, Mischformen vor. Ein Theil von ihnen hatte einen circumscripten Zusammenhang mit den Scheidenhäuten, während andere eine mehr diffuse Ausbreitung in denselben zeigen. Alle Autoren sind darin einig, dass die Diagnose der in Rede stehenden Tumoren sehr schwierig sei; in der Regel hat man sich damit begnügt, einen „Hodentumor" anzunehmen; aber auch Verwechselung mit Haematocele, einige Male sogar mit einer irreponiblen Netzhernie, sind vorgekommen. In der Mehrzahl aller Beobachtungen wurde die Natur und der Sitz der Tumefaction erst während oder nach dem chirurgischen Eingriff erkannt.

Alles in Allem kann man sagen, dass unsere Kenntnisse auf diesem Gebiete noch recht lückenhaft sind, und jede neue einschlägige Beobachtung Interesse verdient. Es mag daher auch die folgende Mittheilung der Beachtung werth sein.

Der mir vom Collegen Christeller freundlichst überwiesene 57 Jahr alte Arbeiter J. aus Sydow in Pommern ist niemals ernstlich krank gewesen, hat insbesondere nie an Geschlechtskrankheiten gelitten. Seit angeblich 4 Jahren bemerkte er eine Geschwulst des linken Hodens, die erst ganz allmälig, später jedoch schneller, sich zu der jetzigen so colossalen Grösse entwickelt hat, dass sie bis zu den Knieen reicht und von dem Patienten in einer primitiven, von ihm selbst construirten Bandage, welche um die Schultern geht, getragen wird. Die Geschwulst ist so gross und schwer, dass J. kaum noch gehen und stehen kann. Er bewegt sich mit weit gespreizten Beinen vorwärts, sitzt immer auf der Stuhlkante derart, dass die Geschwulst selber sich auf den Boden stützt; allerdings ist er wegen der grossen ihm verursachten Unbequemlichkeiten gezwungen, meist zu liegen; das Allgemeinbefinden, Appetit, Schlaf etc. ist ungestört; eine Abmagerung hat nicht stattgefunden.

Auf genaueres Befragen giebt der Kranke an, dass auch schon vor dem seit 4 Jahren bemerkten Wachsthum der Geschwulst, der linke Hoden grösser als der rechte war. J. erinnert sich, seit der frühesten Jugend an diesem Organ einen kleinen Auswuchs gehabt zu haben.

Die am 16. V. vorgenommene Untersuchung ergab folgende Resultate: Sogleich beim ersten Anblick fällt das durch einen colossalen Tumor bis zur Kniegelenkslinie herabhängende Scrotum auf. Dasselbe ist noch grösser, als man es bei Brüchen mit vollkommener Eventeration sieht. In allen Körperlagen muss der Kranke die Beine weit spreizen, um die Geschwulst

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