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XIX.

Ueber einen Fall von congenitaler Ranula glandulae Nuhnii.

Von

Dr. Oskar Föderl,

Operateur an Prof. Gussenbauer's Klinik in Wien.
(Hierzu 2 Figuren).

Wie jeder Collectivname nur einen Symptomencomplex in sich fasst und verschiedene Bedeutung in pathologisch-anatomischer Bezichung hat, so war auch der Begriff der Ranula ein manigfacher, insofern man damit alle möglichen, genetisch ganz differenten, sublingualen Tumoren verstand. Später begrenzte sich diese Bezeichnung bei Ausschluss von Abscessen, Atheromen, Dermoiden etc. auf cystische, unter der Zunge gelegene Geschwülste mit vorwiegend klarem, dem Hühnereiweiss ähnlichen Inhalt. Obgleich dadurch der Begriff der Ranula mehr fixirt erschien, war das Wesen derselben deutungsfähig und seit langer Zeit herrscht der Streit über ihre wahre Natur. Der generalisirende Name Ranula" für cystoide, sublingnale Tumoren wurde aufgegeben und die Entstehung der eigentlichen Fröschleinsgeschwulst auf Verstopfung und Dilatation von Drüsenausführungsgängen zurückgeführt. Namentlich galten als Sitz dieser Cysten sui generis der Ductus Warthon. sovie Bartholian. respective die Rivini'schen Gänge; aber auch den schleimabsondernden Drüsen musste die Fähigkeit vindicirt werden, analoge Geschwülste unter gegebenen Momenten bilden zu können (Dupuytren), und schon Velpeau sowie Jobert unterschrieben eine véritable grenoullette salivaire und non salivaire ou muqueuse. Stromeyer betonte die analoge Beschaffenheit des Ranula-Inhaltes mit dem der Ganglien. Fleischmann suchte und fand einen

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Schleimbeutel dicht neben dem Frenulum. Die Inconstanz desselben aber steht nicht im Einklange mit der relativen Häufigkeit des Batrachos, so dass er kaum als Ausgangspunkt desselben gelten kann. von Recklinghausen1) erklärt auf Grund eines anatomisch genauer untersuchten Falles als eigentlichen Sitz der wahren" (Jobert) oder „klassischen" (Broca) Ranula die Nuhnsche Drüse. Die von ihm beschriebene Cyste zeigte eine Auskleidung von Flimmerepithel, welches physiologisch den verschiedenen Theilen der Zungenspitzendrüse nicht zukommt, aber v. Recklinghausen hält die Form der Epithelien je nach Ernährungsbedingungen und Druckverhältnissen für variabel. E. Neumann 2) tritt dieser Ansicht von der Transformation der physiologisch nicht Cilien tragenden Cylinderepithelien der Nuhn'schen Drüse zu Flimmerzellen entgegen und glaubt, dass die echte Ranula von den Bochdalek'schen Schläuchen, als dem einzigen, in der Zunge vorkommenden, flimmernden Apparat ihren Ursprung nehme. Es finden sich mitunter Cysten derselben, deren mögliche Beziehung zur Fröschleinsgeschwulst schon Bochdalek jun. hervorgehoben hat.

Die mit der Ranula in Analogie gestellten Flimmercysten der Leber führt Neumann auf embryonale Abschnürung des ursprünglich Cilien tragenden Oesophagusepithels 3) zurück und bezweifelt, dass die von v. Recklinghausen beschriebene Ranula trotz ihres innigen, nachbarlichen Verhältnisses in einem genetischen Zusammenhange mit der Glandula Nuhnii stehe; wäre Letztere der Ursprungsort für die klassische Ranula, so müsste ihr Sitz an der unteren Fläche der Zungenspitze der typische sein, während Cystenbildungen mit derartiger Localisation zu den grössten Raritäten gehören.

Im vorliegenden Falle congenitaler Ranula, die ich bei einen sonst völlig normal entwickelten, 4164 Gr. schweren Knaben unmittelbar nach der Geburt (Schädellage) beobachtete, kann über die Entstehungsweise kein Zweifel bestehen.

1) Virchow's Archiv. Bd. LXXXIV. S. 425.

2) v. Langenbeck's Archiv, XXIII. S. 590.

3) Neumann fand, dass bei menschlichen Früchten im Alter von 18 bis 32 Wochen der Oesophagus mit geschichtetem Flimmerepithel bedeckt ist, und konnte in einem Falle nach aufwärts einen in der Mittellinie der Zungen wurzel, vom Rande der Epiglottis gegen das Foramen coecum sich hinziehenden Flimmerstreifen verfolgen. Archiv f. mikroskop. Anatomie. 1876. Bd. XII. S. 570.

Zwischen den Lippen lag eine Geschwulst, welche beim ersten Anblick als missstaltete Zungenspitze imponirte, sich beim Schreien anscheinend aufblähte, indem die Spannung bei der Contraction der Zungenmuskulatur zunahm, und dabei fast in ihrer ganzen Grösse vor die Lippen prolabirte (Siehe Fig. 1

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z. Th. schematisirt, der Unterkiefer resecirt gedacht). Sie hatte fischblasenähnliches Aussehen, erwies sich vollständig transparent und zeigte deutliche Fluctuation. Ueber die Oberfläche der leicht birnförmigen Cyste zogen feinc, parallele Gefässstämmchen in meridionaler Richtung. Sie sass vollständig median mit gleicher Vertheilung ihrer Massen zu beiden Seiten an der Unterfläche der Zungenspitze und reichte mit ihrer etwas eingeschnürten Basis nach unten bis zum Frenulum, seitlich bis zum hinteren Theile der Plica fimbriata, während deren Fortsetzung gegen die Zungenspitze sowie die Taenia mediana vom Tumor aufgebraucht waren. Eine der Letzteren entsprechende mediane Furche bestand nicht. Die Carunkeln zeigten normale Verhältnisse und lagen ungefähr 6 Mm. von der Geschwulstbasis entfernt. Liess man Substanzen auf die Zunge einwirken, welche wie Zucker, Citronensäure etc. die Secretion von Speichel erregten, so sah man denselben deutlich aus den Carunkeln hervortreten. Die obere Cystenwand war im gleichen Niveau mit der Oberfläche der

Zunge, und erschien als direkte Fortsetzung derselben. Nur beim Schreien des Kindes maskirte sich der Zungenrand gegen die Geschwulst.

Die Athmung war ziemlich frei, das Saugen hingegen unmöglich. 2 Stunden nach der zunächst vorgenommenen Anschlingung hatte die Cystenwand in Folge der Spannungsabnahme ihre glatte, glänzende Beschaffenheit verloren, war opac geworden und zeigte zahlreiche, feine Fältchen.

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Nach der Excision eines ovalen 3 Mm. breiten, mit seiner etwa 5 Mm. messenden Längsaxe meridional gerichteten Stückchens aus der Mitte der Geschwulst entleerte sich ein völlig klarer, viscider, dem Hühnereiweiss ähnlicher Inhalt, dessen mikroskopische Untersuchung aus der Mundhöhle stammende Plattenepithelien, gequollene Cylinderzellen und ein zottenartiges Gebilde ergab, das durch Faltung der losgelösten Epithelschichte, welche die Innenwand der Geschwulst auskleidete, entstanden war. Leider ging der grösste Theil des entleerten Inhaltes verloren, so dass eine chemische Untersuchung nicht vorgenommen werden konnte. Der collabirte Sack unterschied sich nun in der Farbe durch die dichter aneinandergelagerten und erweiterten Gefässe wenig von seiner Umgebung. Er lag mit seinem grösserem Antheile nach rechts und zeigte ein in der Medianlinie gelegenes, dem imperforirten Ausführungsgange entsprechendes Grübchen. Nach 48 Stunden hatten sich die Wundränder verlöthet, und die Geschwulst nahm in den nächsten Tagen an Volumen wieder zu, bis durch eiterige Einschmelzung der Ränder des verklebten Spaltes sich eine feine Fistel etablirt hatte. Unter der collabirten Cystenwand war die Zungenspitzendrüse als länglicher, kleinerbsengrosser Körper zu beiden Seiten der Mittellinie, namentlich rechterseits deutlich tastbar.

An den mit Haematoxylin-Eosin gefärbten Serienschnitten, welche senkrecht zur Längsaxe des excidirten, in Müller'scher Flüssigkeit conservirten Stückchens geführt wurden, fand sich unter dem normalen Schleimhautepithel ein ungefähr 0,42 Mm. dickes, geschichtetes Bindegewebstratum, welches durch eine Gefässchichte in zwei, ziemlich gleich mächtige Lager getheilt war. Im äusseren Antheile zeigten sich neben quergetroffenen Gefässen einzelne Nervendurchschnitte; der inneren Schichte lag subepithelial ein zartes, locker gefügtes Bindegewebe mit capillaren Gefässen an, welches da, wo es in situ erhalten, nicht abgehoben und zerklüftet war, eine Dicke von 40 Mikren hatte.

Die darauf folgenden, die Cyste auskleidenden Cylinderzellen lagen nur stellenweise der Wand an; zum grössten Theil waren sie in zusammenhängender Schicht abgehoben und bildeten zahlreiche Faltungen (Fig. 2). Offenbar hatte sich das Epithelstratum durch die Insulte bei der Operation in grösserer Ausdehnung gelöst und mit dem excidirten Stückchen nur lose zusammenhängend vielfach gefaltet, woraus sich auch erklärt, dass an den ersten und letzten Schnitten der Serie sich keine oder nur wenige zusammenhängende, schief getroffene Zellen fanden. An manchen Schnitten zeigten sich wohl zwischen den Windungen des continuirlichen Cylinderzellstratums feine Bindegewebsbalken mit zarten Gefässen, so dass man an eine septirte, von der Drüse selbst ausgehende Geschwulst hätte denken können.

Doch diese feinen Septa sind nur dadurch entstanden, dass bei der Lossprengung des Epithels, da wo es fester an der Cystenwand haftete, von derselben Bindegewebe mit Gefässen mitgerissen wurde, welches dann bei der Faltung zwischen den Windungen des Epithelstratums zu liegen kam.

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Wenn nicht das ganze Bild schon für die Dilatation eines Ausführungsganges sprechen würde, so ist gegen die Auffassung des Tumors als einer septirten, von der Drüse selbst ausgehenden Geschwulst der Umstand beweisend, dass die Drüse hinter dem collabirten Cystensack fühlbar war, und sich nirgends Züge von Zungenmusculatur fanden, welche bei einem von der Tiefe ausgehenden Tumor selbst über dessen Kuppe, wenn auch auseinander geworfen, ziehen müsste.

Die Höhe der längsgetroffenen Cylinderzellen betrug durchschnittlich 46,3-47,9 μ, mit einem Maximum von 59,9 ; ihre basalgestellten Kerne

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