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seits in Betracht, dass die Nieren durch den sie passirenden gelösten Blutfarbstoff in einen Reizzustand versetzt werden, durch den die Jodausscheidung aus dem Organismus erschwert und die Jodintoxicationsgefahr eben dadurch vergrössert wird. Aehnliches hebt Mosetig-Moorhof von der Carbolwirkung bei Anwendung bei Jodoformverbänden hervor. Sehr wichtig erscheint mir daher das Verhalten der Jodausscheidung zu der Blutfarbstoffausscheidung in meinen Fällen. In den leichten fand ich, dass mit dem Blutfarbstoffe gleichzeitig Jod im Harne erscheint und die Jodausscheidung in allen Fällen bis auf einen die Blutfarbstoffausscheidung weit überdauert. Bei den schweren und schwersten fand ich dagegen, dass die Jodausscheidung mehr oder minder später als die Blutfarbstoffausscheidung auftrat. Während nun bei leichten Fällen die Nierenausscheidung keine so hochgradige zu sein scheint, dass es zur Jodverhaltung im Organismus kommt, ist dies bei den schwereren Fällen der Fall. Wenn nun auch die geringe Jodmenge a priori mit nur äusserst geringer Wahrscheinlichkeit in Betracht kommt und dem Glycerin in Anbetracht der bei weitem grösseren Dosen, und der zum Unterschiede vom Jodoforme sehr rasch auftretenden Wirkung jedenfalls die wichtigere und primäre Wirkung zuerkannt werden muss, so wollte ich doch auf die Möglichkeit einer combinirten toxischen Wirkung bei schweren Fällen hinweisen. Aus unseren Beobachtungen ergeben sich folgende practische Schlussfolgerungen:

1. Die Gefahr der Glycerinintoxication steigt mit der Menge
des injicirten Glycerins, der Resorptionsfähigkeit des auf-
nehmenden Gewebes und des Druckes, unter dem die
Flüssigkeit injicirt wird. Die Intoxicationsgefahr ist bei
Kindern ungleich grösser als bei Erwachsenen, wahr-
scheinlich auch grösser als es dem Verhältniss zwischen
Körpergewicht und einverleibter Dosis entspricht.

2. Eine Dosis von 10 Cetm. bei Kindern und 20-25 Cetm.
bei Erwachsenen scheint auch bei günstigen Resorptions-
verhältnissen ohne jeden Schaden vertragen zu werden.
3. Daraus folgt, dass bei parenchymatösen Injectionen nicht
leicht die Intoxicationsgrenze überschritten wird, sofern
wir von den ganz leichten, rasch vorübergehenden Er-
scheinungen absehen.

Archiv für klin. Chirurgie. XLIX. 2.

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Dr. L. Schellenberg, Ueber Glycerinintoxication etc.

4. Die intacte Abscessmembran kalter Abscesse resorbirt so
langsam, dass hier das 3-4 fache der sonst zulässigen
Menge injicirt werden darf.

5. Besondere Vorsicht ist geboten bei frischen Wundflächen
und grösseren Gelenkhöhlen.

Es wäre nach unseren Erfahrungen am rationellsten, das Glycerin als Suspensionsmittel des Jodoforms ganz fallen zu lassen und es nach dem Vorgange anderer Chirurgen durch indifferentere Körper zu ersetzen. Herr Geheimrath Mikulicz, der ja selbst ursprünglich eine Mischung von Olivenöl und Glycerin empfohlen hatte, aber seit circa 10 Jahren die reine Glycerinsuspension anwendet, kann sich zur Zeit nicht entschliessen, das Glycerin zu diesem Zwecke ganz aufzugeben. Er hält es für wahrscheinlich, dass die acut entzündliche Reaction, die in der Regel der Glycerininjection im tuberculösen Gewebe folgt, die Wirkung des Jodoforms unterstützt, resp. den Boden für die Jodoformwirkung in günstiger Weise vorbereitet.

Literatur.

1. Kobert, Schmidt's Jahrbücher. Bd. 184. S. 6. 2. Pflüger's Archiv. XI. 1875. S. 503. 3. Eckhardt's Beiträge zur Anat. u. Physiol. Bd. VIII. 1879. S. 167. 4. Virchow's Archiv. Bd. 91. 1881. S. 303. 5. u. 6. Verhandlungen des Congresses für innere Medicin. 1883. S. 205. 7. Virchow's Archiv. Bd. 117. S. 413. 8. Centralblatt f. Gynäkologie. 1894. No. 4. 9. Ebendas. Bd. XVI. 1892. 46. 10. Ebendas. Bd. XVIII. 1894. 15. 11. Vgl. Literaturangabe. No. 6. S. 217. 12. Vgl. Literaturangabe. No. 5. S. 210. 13. Masius, Experimentelle Untersuchung über Wirkung gewisser Arzneistoffe, insbesondere des Jod und des Alkohol auf die Niere. Inaug.-Dissert. Breslau 1882. 14. Wiener med. Presse. XXII. 1881. 23. 15. Deutsche Zeitschrift f. prakt. Med. XXXVII. 433. - 16. Deutsche med. Wochenschrift. VII. 1881. 34. S. 461. 17. Centralblatt f. Chirurgie. IX. 1882. 7. S. 97. 18. Ebendas. IX. 7. S. 101. 8. S. 117 u. 17. S. 273. 19. Ebendas. IX. No. 3. S. 33. 20. Kocher, Centralblatt f. Chirurg. Bd. IX. 1882. 14, 15. 21. Langenbeck's Archiv. XXVII. 1882. 4. S. 767.

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XIV.

Isolirter Bruch des Capitulum fibulae.
Knochennaht; vollständige Heilung.

Von

Dr. Alexander Tietze,

Privatdocent für Chirurgie. Assistenzarzt der Königl. chirurgischen Klinik in Breslau.

Gehören die Brüche des Wadenbeines nach dem übereinstimmenden Resultat der vorhandenen Statistiken überhaupt zu den weniger häufigen Bruchformen, so stellen diejenigen des Capitulum fibulae für sich sogar ein relativ seltenes Ereigniss dar; gelang es doch Dumollard') in einer sehr fleissigen These aus dem Jahre 1882 im Ganzen nur 12 derartige Beobachtungen aus der Literatur zusammenzustellen und wenn sich seitdem auch die Zahl gleichartiger Fälle um einige vermehrt hat, der eine oder andere der vorher publicirten auch in der erwähnten Arbeit nicht aufgeführt ist und manche überhaupt nicht veröffentlicht sein mögen, so bietet die fragliche Verletzung doch so viel des Interessanten, dass die Mittheilung des folgenden Falles, der nach mancher Richtung hin besonders bemerkenswerth erscheint, vollauf gerechtfertigt sein dürfte.

Krankengeschichte.

Herr Lieutenant U., 23 Jahre alt, aus gesunder Familie und bisher selbst immer gesund, stürzte zwei Tage vor seiner Aufnahme in die Privatklinik des Herrn Geheimrath Mikulicz beim Rennen mit dem Pferde, und zwar so, dass dasselbe mit ihm nach rechts überschlug, so dass sein rechter Unterschenkel, den er vergeblich freizumachen suchte, zwischen Pferd und Erdboden ein

1) Dumollard, De quelques considérations sur les fractures de l'extrémité supérieure de péroné par arrachement et par choc direct. Thèse de Lyon. 1882.

geklemmt wurde. Es wäre nach seiner Angabe möglich gewesen, dass der Unterschenkel dabei auf einen Stein aufgeschlagen sei. Von seinem Pferde schliesslich befreit, konnte er sich noch erheben und nach einem etwa 50 Schritt weit entfernten Graben gehen; hier aber musste er, von lebhaften Schmerzen betroffen, sich niedersetzen. Von den anwesenden Militärärzten wurde ein Bruch des Köpfchens des rechten Wadenbeines konstatirt, Patient erhielt einen Schienenverband, und zwar wurde zur besseren Fixirung des oberen Bruchendes ein fester Tampon, der dasselbe nach unten drängen sollte, mit in den Verband eingeschlossen. Derselbe hatte sich jedoch bei der Aufnahme in die Privatklinik verschoben und sich zwischen die beiden Bruchenden eingezwängt, so dass er das obere Fragment erst recht nach oben dislocirte.

Status praesens: Mittelgrosser, gut genährter, kräftig gebauter Patient mit normaler Temperatur. Die Untersuchung der inneren Organe ergiebt nichts Abnormes. Nach Abnahme der Schiene am rechten Bein zeigt sich die Kniegelenksgegend deutlich geschwollen, subcutaner Bluterguss an der Aussenseite des unteren Drittels des Femur, sich bis zur Mitte des Unterschenkels erstreckend. Condylen des Femur undeutlich duschzufühlen, jedoch zeigt der Oberschenkelknochen anscheinend normale Contouren; Druck auf die Condylen nicht schmerzhaft, Kniegelenk ohne Erguss, Patella intact.

Ebenso sind die Contouren der Tibia normal, an keiner Stelle Druckempfindlichkeit.

Dicht unter dem äusseren Condylus des Femur findet sich eine der Grösse des Tampons entsprechende ziemlich tiefe Einsenkung von etwa 31⁄2 Ctm. Breite, an deren oberen Rande man ein etwa 1/2 Ctm. langes und 1 Ctm. breites, stark verschiebliches Knochenstück fühlt, das einen unregelmässig geformten scharfen unteren Rand besitzt. Am unteren Ende der Vertiefung fühlt man das rauhe, schmerzhafte Ende der Fibula, welche die normale Auftreibung des Köpfchens vermissen lässt. Die Längenmessung von hier aus bis zum äusseren Knöchel ergiebt rechts -1 Ctm. weniger als links. Wegen der starken Schmerzen können passive Bewegungen nur in sehr beschränktem Maasse vorgenommen werden, activ führt Patient so gut wie gar keine Bewegungen aus; die seitliche Beweglichkeit ist nicht vermehrt, keine Zeichen einer Verletzung des N. peroneus.

Nachdem fünf Tage lang massirt worden ist, wodurch ein beträchtlicher Nachlass der Schwellung, aber keine Aenderung in der Stellung der Fragmente hervorgebracht ist, wird von Herrn Geheimrath Mikuliez die Knochennaht vorgenommen. Längsschnitt an der Aussenseite, 6 Ctm. lang; Nerv. peroneus kommt nicht zu Gesicht. Das subcutane Gewebe ist leicht blutig durchtränkt; man gelangt in einen mit flüssigem Blut und Coagulis gefüllten Hohlraum, in welchem sich, im Zusammenhang mit der Bicepssehne, das obere Fragment des Cap. fibulae findet, welches 1/2 Ctm. lang, 1 Ctm. breit ist und eine rauhe schräg von aussen unten nach innen oben verlaufende Bruchlinie darbietet, welcher die Bruchfläche des unteren Fibulafragmentes entspricht. Durch direkten Druck lassen sich bei leichter Flexion im Kniegelenk beide Fragmente leicht aneinanderbringen. Der Bandapparat des Fibulaköpfchens ist völlig

durchrissen, Kniegelenk nicht eröffnet. Ohne Mühe gelingt es, beide Knochenenden mit drei Silbernähten zu vereinigen. Drain, Verband in flectirter Stellung (ca. 120°).

Verlauf. Drain nach wenigen Tagen entfernt, weiter fieberloser Verlauf, Heilung der Wunde per primam. Der ursprünglich flectirte Unterschenkel nach und nach im Verlauf von 5 Wochen durch passende Gypsverbände gestreckt. Patient verlässt nach 4 Wochen das Bett, Muskulatur etwas atrophisch, Massage. Bruchenden halten fest zusammen. Patient nach 7 Wochen entlassen. Wunde fest vernarbt; Bruchenden anscheinend knöchern mit einander vereinigt. Aktive Beugung im Kniegelenk bis 90°, passive bis 70°. Muskulatur des Oberschenkels und der Wade noch atrophisch. Patient hat eine abnehmbaren Gypsverband, in dem er ohne Schmerzen umhergeht.

Nach weiteren vier Monaten schreibt Patient: „Es geht mir sehr gut. Ich bin gesund und munter und kann mit meinem Bein alles thun wie früher. Ich reite jetzt wieder mit und habe mich darin sehr gut eingerichtet, habe namentlich dabei nicht Beschwerden irgend welcher Art, so dass ich hierüber ganz glücklich bin."

Recapituliren wir zunächst, ohne auf unseren Fall vorläufig näher einzugehen, dasjenige, was uns über die Fractur des Capitulum fibulae bekannt ist, so kommen wir ungefähr zu folgenden Ergebnissen:

Wie schon oben bemerkt, ist die isolirte Fractur der Fibula überhaupt ein nicht allzu häufiges Ereigniss.

Nach einer Statistik von Malgaigne) aus dem Hôtel Dieu, kamen auf eine Zahl von 515 isolirten Brüchen des Schienbeines nur 109 Fracturen des Wadenbeins, Dupuytren schätzte das Verhältniss derselben zu allen Unterschenkelbrüchen wie 1:3, deutsche Statistiken ergeben ein ähnliches Resultat.

Die Fractur findet sich ferner meist bei Erwachsenen und zwar häufiger bei Männern als bei Frauen.

Am häufigsten findet sich die Bruchstelle beim Bruch der Fibula überhaupt im unteren Drittel (Rissfractur, bedingt durch den Zug des Lig. laterale externum bei gewaltsamer Rotation des Fusses) und ist dann häufig combinirt mit einer Luxation des Fusses nach aussen. (Pott'sche Fractur.)

Seltener sind Fracturen in der Mitte des Knochens, in der Regel durch directe Gewalt verursacht, am seltensten diejenige des Köpfchens.

Letztere, die Fracturen des Köpfchens der Fibula sind

1) Malgaigne, Die Knochenbrüche. 1850. Deutsch von Burger.

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