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position der Gewebstheile für das spätere Entstehen einer Geschwulst geschaffen wird. Er sagt: „Wenn ich auch nicht angeben kann, in welcher speciellen Weise die Irritation stattfinden muss, durch welche gerade in einem gegebenen Falle eine Geschwulst hervorgerufen wird, während in einem anderen Falle unter scheinbar ähnlichen Verhältnissen nur einfache Entzündung erregt wird, so habe ich doch eine ganze Reihe von Thatsachen beobachtet, welche lehren, dass in der anatomischen Zusammensetzung einzelner Theile gewisse bleibende Störungen existiren können, welche das Zustandekommen regulatorischer Processe hindern, und welche bei einem Reiz, welcher an einem anderen Orte nur eine einfache entzündliche Affektion zu Stande gebracht haben würde, eine Reizung erzeugt, aus welcher die specifische Geschwulst hervorgeht."

Nach der Theorie von Cohnheim ist die örtliche Disposition. in allen Fällen begründet durch eine von der frühesten Entwicklung her datirende abnorme Beschaffenheit der Gewebe, durch einen Fehler in der embryonalen Anlage. Ein Trauma habe nur die untergeordnete Bedeutung, dass es von der Entwicklung des Organismus her zurückgebliebenes Zellenmaterial, das eine grosse Vermehrungsfähigkeit besitze, zum Wachsthum bringen, gelegentlich auch bei der Anlage eines Systems oder eines bestimmten Körpertheils zur Geschwulst produktion den speciellen Ort des Gewächses bestimmen kann.

Diese Ansicht Cohnheim's wird auch von Leopold (358) für richtig gehalten, indem er am Schlusse seiner Abhandlung sagt: Hält man sich an die Ergebnisse der Untersuchungen (Implantationen von thierischen Geweben im Thiere), so kann die erste Anlage einer echten Geschwulst nur auf dem feinsten Unterschiede der elementaren Zusammensetzung eines Organs, speciell auf embryonalen Keimen beruhen. Traumen aber, wie Entzündungen, gesteigerte Blutzufuhr wie Schwächung des Organismus dürften ohne eine präexistirende Geschwulstanlage nicht im Stande sein, eine echte Geschwulst hervorzurufen; sie sind nur Gelegenheit sursachen, nur accidentelle Momente, welche für die Wachsthumsbeförderung einer Geschwulst gewiss der grössten Beachtung werth sind."

Auch H. Maas (359) stimmt der Cohnheim'schen Theorie bei; nach seiner Ansicht geben Traumen nicht selten den Anstoss zum Wachsthum embryonaler Keime; ihre Wirkung auf normale

Zellen kann niemals die sein, dass diese in eine geschwulstbildende Proliferation gerathen; vielmehr müsse man annehmen, dass das Trauma von der Norm abweichende Zellen getroffen haben muss. Für die Annahme, dass nur Zellen des vom Trauma getroffenen Theiles auf den Reiz abnorm reagiren, spricht nach der Ansicht von Maas die ganze Reihe der für die Cohnheim'sche Theorie angeführten Gründe.

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Andere Autoren nehmen nach Virchow als Ursache der Geschwulstbildung nach einem Trauma eine örtliche Disposition der Gewebe an. So sagt z. B. Ackermann (360): Dass gegen einen causalen Zusammenhang zwischen Trauma und Tumor die unendliche Menge von Fällen Nichts beweist, in denen eine neoplastische Geschwulst nach der traumatischen Einwirkung ausbleibt, bedarf kaum der Erwähnung, wenn man, wozu bekanntlich alle Ursache vorhanden ist, an der Existenz einer lokalen Prädisposition festhält, welche für sich allein ebenso wenig einen Tumor zu entwickeln vermag, wie hierzu der als zweite Bedingung erforderliche Reiz ohne dieselbe ebenfalls ausser Stande ist."

Für E. Blanc (313) ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Trauma und Neubildung nicht zweifelhaft. Von den Ansichten Velpeau's und Verneuil's, von denen der erstere eine direkte Umwandlung der bei der Verletzung entstandenen Blutergüsse, der letztere eine andauernde Reizung der Umgebung durch dieselben als Ursache für die Geschwulstbildung ansicht, scheint. Blanc diejenige Velpeau's wahrscheinlicher zu sein. (Zur Bestätigung führt er die Krankengeschichte des Falles No. 690 an.)

R. Barwell (264) berichtet über mehrere Fälle (No. 578 und 657), in denen sich nach einem Trauma ganz acut eine maligne Neubildung entwickelt hatte, und schreibt dies dem Umstande zu, dass unter dem Einflusse des durch das Trauma gesetzten Reizes statt der gewöhnlichen, zur Restitutio ad integrum erforderlichen und genügenden Reaction der Gewebe eine excessive, krankhafte Hyperplasie zelliger Elemente stattfinde, welche zur Entstehung bösartiger Neoplasmen von dem Character bald der Rundzellensarkome, bald der Medullarcarcinome führt, eine krankhafte Neigung des Gewebes, welche er mit dem Namen der acuten traumatischen Malignität" belegt.

In welchem Sinne sich nun die einzelnen Autoren entscheiden

mögen, so wird doch von allen zugegeben, dass das Trauma eine grosse Rolle spielt und seine Bedeutung für die Entstehung der Geschwülste keineswegs zu unterschätzen ist. Wenn aber die Möglichkeit eines traumatischen Einflusses auf die Entwicklung von Geschwülsten zugegeben wird, so kann man in einem gegebenen Falle, wenn z. B. bei einem Arbeiter an der Stelle einer Verletzung eine Geschwulst entsteht, nicht in Abrede stellen, dass das vorausgegangene Trauma auf die Entstehung und das Wachsthum der Geschwulst von grossem Einfluss gewesen ist. Auf einen solchen Fall werden die gesetzlichen Bestimmungen, welche jetzt zum Schutze oder zur Entschädigung des Arbeiters bestehen, zu erstrecken sein. Es dürfte nicht ohne Interesse sein, hier zu erwähnen, dass ein solcher Fall in dieser Arbeit enthalten ist, und zwar No. 591, in welchem Patient die volle Unfallsrente bezog.

Damit bin ich am Schlusse dieser Arbeit angelangt. Wenn es auch bei der ungeheuren Menge des hier in Betracht kommenden Materials natürlich kaum möglich ist, eine vollständige Zusammenstellung zu liefern, so glaube ich doch, aus der mir zur Verfügung stehenden Literatur die meisten hier in Betracht kommenden Fälle in dieser Arbeit angeführt zu haben. Mag man nun auch gegen manche der mitgetheilten Fälle einwenden können, dass die Annahme eines Trauma nicht auf zuverlässiger Beobachtung beruhe, so liefert uns doch die Mehrzahl der gesammelten Fälle genug Beweismaterial, um als sicher annehmen zu können, dass äussere Reize unstreitig zur Geschwulstbildung Anlass geben können, sei es, dass sie in der Entwicklung zurückgebliebene Zellelemente betreffen, oder sonst Gewebstheile, die in ganz abnormer Weise auf äussere Einwirkungen reagiren, erregen. Damit ist auch die Richtigkeit der Behauptung anerkannt, dass das Trauma als direkt ätiologisches Moment der Geschwulstbildung angesehen werden darf.

Zum Schlusse komme ich der angenehmen Pflicht nach, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Obermedicinalrath Prof. Dr. Bollinger, für die Ueberlassung des Materials und die stets freundlichst gewährte Unterstützung bei der Anfertigung dieser Arbeit meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.

XII.

Die unblutige Reduction der angeborenen

Hüftverrenkung.

Von

Dr. Joh. Mikulicz,

Professor der Chirurgie in Breslau.

(Mit 1 Holzschnitte.)

Auf dem letzten Chirurgencongress habe ich in der Discussion über die Vorträge von Hoffa und Schede ein neues unblutiges Verfahren der Einrichtung angeborener Hüftverrenkungen in aller Kürze mitgetheilt. Ich konnte mich damals auf den befriedigenden Erfolg von 3 Fällen beziehen 1). Da inzwischen mehr als ein Dutzend Kinder nach dieser Methode von mir behandelt werden und in 5 Fällen schon ein abschliessendes Urtheil gefällt werden darf, so möchte ich es nicht unterlassen das Verfahren ausführlich zu beschreiben und den Fachgenossen zur Nachprüfung zu empfehlen.

Während wir vor noch wenigen Jahren bei der angeborenen Hüftverrenkung, trotz mannigfacher orthopädischer Massnahmen zusehen mussten, wie sich der Gang und die Körperhaltung der davon befallenen Kinder meist von Jahr zu Jahr verschlechterte, besitzen wir heute eine Reihe von Behandlungsmethoden, die nicht nur eine Besserung, sondern vollständige Heilung des Leidens in Aussicht stellen. Den blutigen Repositionsmethoden von Hoffa und von Lorenz stehen die unblutigen von Paci, Schede und mir gegenüber. Von Jedem der genannten Autoren werden so günstige Erfolge berichtet, dass man sich nur freuen kann, mit einem Male

1) Verhandlungen des XXIII. Congresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zu Berlin. I. 27.

vor eine so reiche Auswahl gestellt zu sein. Die Frage, welcher Methode thatsächlich der Vorrang gebühre, lässt sich aber heute gar nicht beantworten; dazu werden Jahre- und Jahrzehntelange Erfahrungen nöthig sein. Zum Glück schliessen sich die einzelnen Methoden nicht aus. Schon heute wird man in zweckmässiger Weise mit den schonenden unblutigen Methoden beginnen und erst, falls diese uns in Stich lassen sollten, zu dem eingreifenden blutigen Verfahren greifen.

Die Indication zur blutigen Einrichtung wird, wie ich hoffe, bald erheblich eingeschränkt werden können; trotzdem wird sie wohl immer ihre Bedeutung in der orthopädischen Chirurgie behalten. Wenn schon deshalb die Verdienste von Hoffa und Lorenz bleibende sind, so müssen wir den genannten Autoren noch ganz besonders dankbar sein, dass sie uns erst auf Grund ihrer operativen Erfahrungen mit der Anatomie der angeborenen Hüftverrenkung genau bekannt gemacht haben. Denn damit haben sie auch die Grundlage zu einer rationellen unblutigen Reposition geschaffen.

Die ausführliche Darstellung der anatomischen Verhältnisse bei der angeborenen Hüftverrenkung findet sich in dem vortrefflichen Lehrbuch von Hoffa1) und in einer vor einem halben Jahre erschienenen Arbeit von Lorenz 2). Für die Frage der unblutigen Reposition interessiren uns am meisten folgende Ergebnisse aus den Arbeiten der genannten Autoren.

Die schweren Veränderungen des Gelenkapparates, wie wir sie nach den Leichenbefunden an Erwachsenen kennen, sind zumeist secundärer Natur; sie finden sich gar nicht, oder in viel geringerem Maasse bei Kindern in den ersten Lebensjahren, zumal bei solchen, die noch nicht gegangen sind. Der Schenkelkopf ist ursprünglich meist wohlgebildet, von annähernd normaler Form und Grösse; erst später wird er, wahrscheinlich durch Gegendruck der Fossa iliaca, plattgedrückt (Pufferkopfform nach Lorenz).

Verschieden ist das Verhalten der Pfanne. In den ersten Lebensjahren kann sie manchmal so geräumig sein, dass der Kopf, sobald die anderen Hindernisse beseitigt sind, ohne Weiteres darin

1) Lehrbuch der orthopädischen Chirurgie. 2. Aufl. 1894. S. 512-518. 2) Pathologische Anatomie der angeborenen Hüftverrenkung. Wiener klin. Wochenschr. 1894. No. 11-13.

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